2019 FUTURZWEI – Harald Welzer & Dana Giesecke: “IN ZUKUNFT. Möglichkeitsräume”

AUSSTELLUNG “IN ZUKUNFT. Möglichkeitsräume”

In Kooperation mit FUTURZWEI. Stiftung Zukunftsfähigkeit

Kuratiert von Harald Welzer und Dana Giesecke | 03. – 19.10.2019

mit Werken (u.a.) von Karin Sander, Friedrich von Borries, Tim und Jan Edler,
Christoph Mayer chm, Regina Schmeken

Wie stellen wir uns die Zukunft vor?

Diese Frage hat die GLOBART Academy an jedem einzelnen Tag begleitet. Die Ausstellung “In Zukunft. Möglichkeitsräume”, kuratiert von Harald Welzer, Direktor von Futurzwei. Stiftung Zukunftsfähigkeit und Dana Giesecke, stellt und stellt sich dieser Frage gleichermaßen. Der Ausstellung liegt ein Projekt von Futurzwei zugrunde. In “Zukunftsbilder der Nachhaltigkeit” fragt Harald Welzers Stiftung für Zukunftsfähigkeit unterschiedliche Gruppen von Jugendlichen im deutschsprachigen Raum nach ihren Träumen und Zukunftsvorstellungen. Es wurden jene Menschen, die den größten Teil ihrer Zukunft noch vor sich sehen, gefragt, wie sie sich eine gelingende Zukunft vorstellen. Ein Gegenpol zu Negativprognosen und Untergangsszenarien sozusagen.

Christoph Mayer chm, realities:united, Karin Sander, Regina Schmeken u.a. haben diese imaginierten Zukunftsbilder in künstlerischen Positionen visualisiert. 

GLOBART hat Futurzwei eingeladen, Teile der Ausstellung während der GLOBART Academy im Klosterneuburger Essl Museum zu präsentieren.

Zusammen mit Harald Welzer und Dana Giesecke wurde die Ausstellung in Anwesenheit der Künstlerin Karin Sander und des Künstlers Christoph Mayer chm am 05. Oktober, am ersten Wochenende der GLOBART Academy 2019 eröffnet und sie begleitete uns bis zum Ende der GLOBART Academy am 19. Oktober 2019.


Kinder malen Zukunftsbilder

Die vielfältigen Zukunftsbilder in den Räumen des Essl Museums haben uns als Besucher*innen angeregt, unsere Zukunftsvorstellungen zu befragen und wir haben Schulklassen der umliegenden Klosterneuburger sowie Wiener Schulen eingeladen, sich der Frage zu öffnen. Verschiedene Schulklassen des anliegenden Bundesgymnasium und Bundesrealgymnasium Klosterneuburg haben täglich an den Workshops teilgenommen. Zudem kam eine Klasse des heuer eröffneten Privatgymnasiums Klosterneuburg, die KreaMontschule St. Andrä-Wördern und zwei Schulklassen des Ella Lingens Gymnasiums aus Wien. 

Die Breite des Themas ließ es zu, Kinder und Jugendliche verschiedener Altersgruppen einzuladen. Insgesamt 800 Kinder und Jugendliche haben in der Zeit vom 03.-19.10. von Montag bis Freitag das Essl Museum besucht- eine großartige Resonanz für dieses wichtige Thema. In Vorbereitung auf die Ausstellung haben wir zunächst allen Schüler*innen die gleiche Frage gestellt: Wie stelle ich mir die Zukunft vor? Wie möchte ich in Zukunft leben? 

Aussagen der Schüler*innen bei der Bearbeitung der Frage
„Was wünsche ich mir für meine Zukunft“:

„Ich möchte weniger bei Amazon bestellen.“

 

„Ich möchte in einer Welt leben, in der Tiere nicht vom Aussterben bedroht sind, weil wir so viel mit dem Flugzeug fliegen.“

Die recht unterschiedlichen Antworten wurden in Bild und Schrift auf Plakaten festgehalten. Ist der überwiegende Teil der 10- bis 12-Jährigen von sich aus auf die Themen Umwelt- und Klimaschutz als fundamentale Notwendigkeit aller Zukunftsüberlegungen eingegangen, antwortete der Großteil der 15- bis 17-Jährigen lediglich ihr eigenes Umfeld und ihr persönliches Wohlergehen betreffend. So malten beispielsweise viele der jüngeren Gruppen ihre Vorstellungen eines zukünftigen Planeten Erde in zwei verschiedenen Varianten, mal so wie sie es sich wünschten und so wie es aussehen würde, würde man nichts gegen die herrschende Klimakrise unternehmen. Währenddessen dominierten auf den Zeichnungen der etwas älteren Schüler*innen, Statussymbole wie Autos, Kleidung, das neueste iPhone und allgemein den Wunsch nach Reichtum.

Ein Übungsraum für Kritik

Der “Übungsraum für Kritik” (kuratiert von Friedrich von Borries und Jakob Schrenk) bot in unserer Beschäftigung mit den Kindern wohl den größten Reiz. Die verschiedenen Stationen luden beispielsweise zum Einnehmen einer kritischen (Körper-)Haltung, zum gemeinsamen Kritik formulieren, auf die Streitschaukel, vor den Spiegel der Selbsterkenntnis und auf die Kritik-Kanzel. Vor dem Hintergrund, Gesellschaftskritik neu zu erlernen und zu trainieren wurden die Geräte von Frieder Bohaumilitzky und Studierenden der HFBK Hamburg gestaltet. Mit der Idee, dass gesellschaftliche Veränderungen mit dem kritischen Betrachten der eigenen Verhaltensweisen und dem Formulieren von Wünschen ans eigene Handeln beginnen müssen, haben wir die Schüler*innen eingeladen, sich vor den Spiegel der Selbsterkenntnis zu stellen. 

Sich selbst im Spiegel entgegenzutreten, die eigenen Handlungen zu beobachten und im Hinblick auf die Wünsche an die Zukunft zu reflektieren, ist vielen der Schüler*innen schwergefallen. Schnell ist man blamiert, abgelenkt, unwillig.

Doch war es schön, zu sehen, wie gerade jüngere Schülerinnen, den Mut aufgebracht haben, sich einzulassen. Den eigenen Veränderungswunsch laut vor der Gruppe auf der Kritik-Kanzel zu äußern, erforderte ebenso viel Mut und brachte zum Teil spannende Gedanken und Ergebnisse hervor, stieß aber auch auf Ablehnung und Unwillen. Was soll das bringen? und Warum sollen wir das machen? sind zwei Fragen die uns entgegengebracht wurden. Schwergefallen ist oft ebenfalls, bei sich selbst zu bleiben: zuerst zu schauen, Was kann ich verändern? bevor man fragt, Was müssen die anderen ändern?.

Auf der anderen Seite, war es eine reiche Erfahrung zu hören, wieviel Gedanken sich Kinder und Jugendliche über Nachhaltigkeit und Umweltschutz machen- eine Entwicklung, die sicher auch durch Fridays for Future angestoßen wird. Im Gesprächskreis haben viele der jüngeren Schüler*innen erzählt, wie sie zuhause auf Umweltschutz achten: dass der Verbrauch von Plastikverpackungen reduziert wird, vom Einkauf im Unverpackt-Laden, Recycling, Fahrrad- und Rollerfahren, sogar ein Urlaub zum Plastiksammeln am Strand. Themen wie die Bekleidungsindustrie und das Kaufverhalten, soziale Ungleichheit, Armut und Geschlechterdiskriminierung wurden dagegen kaum angesprochen.

 

Aussagen der Schüler*innen in Bezug auf die Kanzel der Kritik:

Ich achte vor allem auf mich selbst, wie ich aussehe welche Kleidung ich kaufe und nicht was dies für die Umwelt bedeutet.“

 

„Ich möchte in Zukunft mehr als ein Teil der Klassengemeinschaft sein und gemeinsam zu Klimademos zu gehen.“

 

„Ich möchte neue Technologien studieren um den Fortschritt mit zu gestalten.

„Ich möchte weniger Platiksackerl benutzen.“

 

„Ich möchte weniger fliegen.“

 

„Ich möchte weniger Kritik an mir als Person hegen, sondern mich lieben lernen. “

 

Die Zukunft als leerer Raum

Einige Schüler*innen, die für diese Erfahrung offen waren, haben wir eingeladen, sich in Christoph Mayers Tonspur zu begeben, die in Zusammenarbeit mit Andreas Hagelüken entstanden ist. Das Projekt wurde während der Academy von vielen Besucher*innen sehr gut aufgenommen. Aufbauend auf der Studie “Zukunftsbilder der Nachhaltigkeit” hat Christoph Mayer chm vertiefende Interviews mit den Proband*innen geführt. Er hat erlebt, wie schwer es Jugendlichen fällt, Zukunftsziele zu formulieren. In “Audioweg in einen Handlungsraum” lässt er die Besucher*innen zu den eingesprochenen Überlegungen der Jugendlichen durch einen leeren Raum laufen.  Wer sich auf die Reise begeben hat, konnte Zukunft als einen inneren sowie äußeren Raum erfahren. Ein Raum, den man Schritt für Schritt beschreiten muss, ein Raum mit Türen, mit Weite. Ein Raum, in dem vieles offen ist und man sich manchmal selbst am weitergehen hindert. 

Die Ausstellung “In Zukunft. Möglichkeitsräume” gehörte zu den bereicherndsten Projekten der GLOBART Academy 2019. Sie hat uns dystopische und postkatastrophische Zukunftsszenarien vorgeführt, hat uns zum Innehalten und zum Austausch eingeladen, uns vor wichtige Fragen gestellt und sie uns weitergeben lassen und sie hat uns gezeigt, an welchen Aufgaben wir gemeinsam arbeiten müssen.